Berliner-Abendblatt: Klaus Hoffmanns melancholische Verheissungen.
Klaus Hoffmann sitzt mit seiner Gitarre auf dem Sofa.
Vom 22. bis 26. November gastiert der gebürtige Charlottenburger Klaus Hoffmann endlich mal wieder in der Bar jeder Vernunft. Im Gepäck hat er vor allem die Lieder seines aktuellen Albums „Septemberherz“, das er im August vergangenen Jahres im Musenzelt an der Schaperstraße erstmals der Öffentlichkeit präsentierte.

Berührende Lieder

Die ersten Takte von „Septemberherz“ sind eine Verheißung. Sanfte Gitarrenklänge, dazu die Stimme von Klaus Hoffmann, ausdrucksstark und verführerisch; eingängige Melodien in strahlenden Akustik-Arrangements zwischen Chanson, Jazz, Latin und Pop, verwoben mit seiner poetischen Sprache. Fünfzehn neue Lieder hat Klaus Hoffmann geschrieben. Sie alle erzählen ihre Geschichten auf diese so typische Hoffmann-Art in wild-romantischen Bildern, sind voller Liebe, Fernweh, Hoffnung und auf berührende Weise trunken von Melancholie.

An seinem siebzigsten Lebensjahr wagte er einen Blick zurück, nicht auf larmoyante Art, er zieht eine kluge Zwischenbilanz, die sich auf das Beste seines künstlerischen Schaffens besinnt. Eine Essenz quasi, eine Momentaufnahme, kurz vor dem Sprung zur nächsten kreativen Höchstleistung. Denn der Sänger ist und bleibt ein Reisender, ein Unermüdlicher, der nie stehen bleibt.

Große Show

Die Lieder reihen sich aneinander wie ein künstlerischer Lebenslauf, von den ersten Auftritten in West-Berliner Szenekneipen bis zur großen Show in der Berliner Philharmonie. Seine persönlichen Erfahrungen von der Kindheit in Charlottenburg, dem frühen Tod seines Vaters bis zur großen Liebe zu seiner Frau Malene prägen seine wahrhaftige Liedkunst. Mit „Ich würd es wieder tun“ endet das Programm, und dafür wird Klaus Hoffmann der Applaus sicher sein.

Letzte Vorstellung

Untrennbar ist sein Name spätestens seit 1997 mit dem unsterblichen Chansonnier verbunden. Mit seinem Musical „Brel – Die letzte Vorstellung“ gelang Klaus Hoffmann etwas, was bis dato nicht einmal einem Superstar wie David Bowie gelungen war: Brels Witwe Thérèse machte ihm den Nachlass ihres Mannes zugänglich. Wie im Rausch sang und spielte Klaus Hoffmann seinen Jacques Brel. Den er aber nie kopiert hat, was ihn zu einem der besten Brel-Interpreten unserer Zeit macht.

Text: Redaktion
Berliner Morgenpost, 07. November 2022: "Mit 71 kann ich's langsam"
"Septemberherz" sollte eigentlich das Programm zu seinem 70. sein. Nun tourt Klaus Hoffmann damit ein Jahr später
Peter Zander
Gerade erst hat Klaus Hoffmann in der Berliner Philharmonie gespielt, da kommt er Ende November mit seinem neuen Programm für vier Abende in die Bar jeder Vernunft, die ein klein wenig enger, aber vertrauter ist. "Septemberherz" sollte eigentlich eine Jubiläums-Show zum 70. Geburtstag des Sängers und Liedermachers sein. Aber Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist Hoffmann ein Jahr später auf Tour - und findet die krumme 71 eigentlich ganz sympathisch. Wir sprachen ihn in seinem Büro mit dem vielsagenden Namen Stille Musik am Kurfürstendamm.
Sie waren gerade erst in der Philharmonie, jetzt kommen Sie in die Bar jeder Vernunft. Ist es das gleiche Programm, nur vor anderem Publikum?
Klaus Hoffmann: Gleiches Programm ist es bei mir ja nie. Ich ziehe Fächer mit abgelegten Einlagen, ich bin da ganz frei, jeder Abend ist deshalb anders. Das ist auch ein Lockvogel für Zuschauer, immer wieder zu kommen. Die Philharmonie habe ich ja seit 30 Jahren zu bespielen versucht. Da bin ich mit so was wie einer Band aufgetreten, also mit vier älteren Herren, die alle auch ihre eigene Geschichten miterzählen, da war ich nur das Leittier im blauen Anzug. In der Bar wird's wieder ganz intim mit meinem Pianisten, Hawo Bleich, der mich seit gefühlt 60 Jahren begleitet. Der Raum ist viel enger und viel zu heiß. Aber die Bar ist ja so was wie Heimat.
Sie mussten Ihre Konzerttournee "Septemberherz" wegen Corona um ein Jahr verschieben. Wie schwer fiel Ihnen das, nichts zu tun in der Lockdown-Phase?
Das sind zwei verschiedene Dinge. Ehrlich? Ich habe den Lockdown genossen. Ich hatte plötzlich ganz viel Zeit, das war toll. Ich durfte auch nicht raus, das war auch toll. Sonst bin ich ja ständig unterwegs. Aber der Rest war kümmerlich. Wenn uns die Kunst wegbricht, dann können wir einpacken. Da kamen auch alte Existenzängste wieder hoch, wie das überhaupt gehen soll. Ich hab ja auch eine eigene Firma, mit Menschen, in meiner Brust, da ist der Künstler und da der Kaufmann. Das habe ich auch mal gelernt, der Kaufmann fand aber nie gut, dass er Kaufmann war. Ich denke viel über Geld nach, und in der Zeit, wo der Künstler nichts zu tun hatte, erst recht.
Sie haben immer noch Existenzängste? Der Kaufmann in Ihnen hat nicht vorgesorgt?
Ja, ich habe Angst zu verarmen. Es gibt nichts Schlimmeres als verarmte Künstler. Und ich lebe ja auch von dem Lebensmittel Kunst. Wenn das ausbleibt, dann musst du vermögend sein, was ich nicht bin. Oder darauf warten, dass man wieder auftreten darf. Aber im Traum ist mir Reinhard Mey erschienen. Der sagte: Du wirst nicht klagen! Also werde ich nicht klagen.
Wie ist das jetzt, wieder auf der Bühne zu stehen? Wo es inzwischen ganz andere Krisen gibt, die Inflation, den Angriffskrieg auf die Ukraine, die Energiekrise? Ist der Beruf da noch wichtiger, um dagegen anzusingen? Und um die Menschen für zwei Stunden auf andere Gedanken zu bringen?
Der kleine Klaus, ja, der denkt so. Aber der große Klaus würde es so nicht sagen. Ich mach ja gern den blöden Witz: Glaube, Liebe, Hoffmann: Ich glaube, die Leute kommen auch deshalb, aber das würden sie auch nicht sagen. Das ist ein schwieriges Feld. Reinhard Mey hat gerade eine Tour hinter sich, mit 5000 Leuten jeden Abend, der ließ das erst mal weg mit der Ukraine. Aber ich bin da etwas anders. Ein Banker würde sagen, ich mache einen herzhaften Schritt an die Börse. Ich gehe da erst recht ran. Denn es ist doch so, alle haben das im Kopf, man muss auch eine Haltung dazu Ich wäre da gern noch mutiger. Aber ich bin auch froh, dass ich auf die Bühne treten kann und was sagen darf.
Und wie ist Ihr ersten Eindruck: Sind die Zuschauer nach der langen Lockdown-Phase zurück? Oder haben sie noch Angst und bleiben lieber zu Hause?
Wir leiden jetzt alle unter einem gewissen Publikumsschwund. Aber das hängt auch von der Bekanntheit ab. Richtig schwer haben's die Jungen, die noch nicht so bekannt sind. Man geht jetzt nur noch auf Nummer sicher. Aber in meinem Alter ist es auch nicht leicht. Wenn du ein Konzert ein-, zweimal verlegst, fragen sich die Leute gleich, ob du überhaupt noch mal auftrittst. Ich war schon kurz davor, zu sagen, es muss nicht mehr sein. Ich konnte mich schon damit anfreunden. Aber da gibt es auch immer eine neurotische Fluchttendenz. Die Nummer kenn ich bei mir: Meine Fußpflegerin sagte gerade zu mir, Sie machen das für immer. Das höre ich auch gern. Aber wenn du 71 bist, überfällt, was mache ich dann mit mir? Ich singe gern, ich erzähle gern Geschichten. Und dabei entsteht etwas Drittes, mit dem Publikum.
Könnten Sie je aufhören, oder ist Musik, sind Konzerte auch ein Lebenselixier?
Schwieriges Gelände. Ich bin so viel aufgetreten in meinem Leben. Wenn du älter wirst, musst du die Latte anders hängen. In den frühen Liedern kamen ja meine Eltern viel vor. Das hat sich dann irgendwann, als ich Erfolg hatte, gesättigt. Also musste etwas anderes her. So kam ich auf die Brel-Abende im Schiller Theater, um mir die Liebe zu erhalten. Denn ja, du atmest da Bühnenluft. Ich möchte irgendwann mal ein Sängerhandbuch schreiben, wo ich genau davon erzähle. Das sind Erfahrungen, die man sonst nicht nachvollziehen kann. Und das ändert sich im Alter. Ich muss mir immer wieder ein Feld schaffen, wo ich mir glaube, dass ich etwas davon habe, wenn ich auf die Bühne gehe. Ich bin ein anderer auf der Bühne. Ich gehe raus in dem blauen Anzug und dann bin ich ein anderer.
"Septemberherz" war eigentlich die Tournee zu Ihrem 70. Ist das komisch, wenn Sie das jetzt mit 71 spielen, wenn es also nicht mehr so rund ist? Oder ist das schnurz?
Schnurz ist es nicht. Ich habe mir einen Trick gebaut. ich habe mich gefreut, als ich 70 werden sollte. Jetzt freue ich mich, dass ich drüber bin. Ich kokettiere etwas damit.
Hat die 70 was mit Ihnen gemacht?
Klar hat die was mit mir gemacht. ich brauch immer länger, um das zu kapieren, dass ich 70, dass ich 71 geworden bin. Auch dafür sind meine Auftritte gut: um das zu verarbeiten. Ich schleppe immer noch diesen jungen Mann mit den Langen Haaren mit mir rum. Aber der war ja auch schon eine Maske. Die Bühne ist Leben und Tod. Wenn du 70 bist, gehst du anders damit um. Ein Glück, kann ich noch damit kokettieren: 90 Prozent an mir ist echt. Ich bin dick, das Kind in mir ist gewachsen. Das sind alles so Sprüche. Also ich liebe es einfach, auf der Bühne zu stehen mit diesem komischen Anzug. Aber das Publikum macht das mit. Ich glaube, ich würde das auch umsonst machen. Aber das geht ja nicht. Als ich zurückkam von der Tour, hat gleich das Finanzamt nachgeharkt.
Darf ich noch was Grundsätzliches fragen? Wie sind Sie eigentlich Sänger geworden. Sie haben ja als Schauspieler begonnen.
#...und "Die neuen Leiden des jungen W." waren mein Opener, wie man so sagt Ich kam gerade aus der Schauspielschule. Das war eine sehr gefährliche Zeit, ich hatte schnell Erfolg und musste damit umgehen. Und war sehr skeptisch mit dem Gewerbe. Aber schon während der Schauspielschule habe ich abends immer in Clubs gesungen. Und damit ganz gut verdient. Aber der Sänger, der Schauspieler, das ist alles eins. Der Schauspieler war nie weg, der hat sich bewahrt.
Haben Sie's nicht trotzdem manchmal bedauert, nicht öfter gespielt zu haben?
Sie Fuchs? Ich ahnte, dass Sie das fragen. Aber ja, oft. Ich hätte mit Bergman und Godard drehen können. Es kamen auch Angebote für "Schöner Gigolo, armer Gigolo" mit Marlene Dietrich! Aber Boy Gobert hat mir damals am Thalia Theater nicht freigegeben, das hat dann David Bowie gekriegt. Echt bereut habe ich "Väter und Söhne" mit Burt Lancester. Meine Rolle hat dann Grönemeyer übernommen. Der ist ja auch Sänger geworden. Sinkel wollte mit mir nach Amerika, ich habe erst später kapiert, der wollte den Hemingway-Mehrteiler mit mir drehen. Aber ich musste ablehnen, weil ich schon eine Tournee hatte. Ich war dann als Schauspieler irgendwie weg aus den Köpfen. Aber der Schauspieler ist viel näher, als Sie denken. Ich bin ein Schauspieler, der seine eigenen Texte singt. Und erst nach einer Zeit habe ich es wirklich geschafft, singen zu können. jetzt mit 70 - ach: Mit 71, finde ich, kann ich's langsam.
Bar jeder Vernunft, 22.-24. und 26.11., 20 Uhr
Lieder voller Lebensgeschichte
Klaus Hoffman gastierte in Bergneustadt - Hoffnungsvoller Rückblick auf schöne Momente
VON FREDERIKE TSCHERNICH
Bergneustadt. Seit mehr als 50 Jahren steht Klaus Hoffmann als Liedermacher auf Bühnen, über 500 Lieder gehören zu seinem Repertoire. Angefangen in Berliner Szenekneipen, über die Aufnahme seines ersten Albums bis hin zu Deutschland-Tourneen: Der Berliner war stets auf Reisen. In seinem aktuellen Album "Septemberherz" blickt er zurück, melancholisch und doch voller Hoffnung und schöner Momente.
Im Rahmen der Bergneustädter Liedermachertage, begleitet von seinem Freund Hawo Bleich am Flügel, nahm Hoffmann am Freitag das Publikum mit auf eine poetische Reise, fesselte mit Kindheitsgeschichten aus einem geteilten Berlin, über Sehnsüchte und große Ziele, und Schilderungen seiner ersten Auftritte. Mit "Da wird eine Insel sein" begann Hoffmann, begleitet von ruhigen Klaviertönen, sein Konzert. Früheste Kindheitserinnerungen folgen, als er von Berlin in der Nachkriegszeit erzählt und "In meinem Kiez" singt. Die Leute waren geplagt von Ängsten, sein "Vati" ging tagsüber ins Finazamt und spielte abends Geige, ohne seine künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen. "Die Zeit war so, dass Berlin aufbrach wie eine Blume, alle hatten ihre Sehnsüchte", erinnert Hoffmann sich.
Sein Vater starb früh, an Krankheit leidend, und Hoffmann war gepackt von Fernweh und Existenzängsten zugleich. "Ich wollte immer raus, ein anderer sein", sagte er zwischen seinen Liedern. Ein eigenes, sein eigenes Lied habe er sich gewünscht.
Zurück in die 1968er Jahre
In die Zeit zurück zu seinen ersten Auftritten, damals um 1968, versetzt sich Hoffmann nach dem Lied "Wenn ich's hier schaff, schaff ich's überall". Alle wollten raus:" Alle träumten von Kanada und Amerika, alle sangen Englisch, teils auch sehr unverständlich", erinnert der 71-jährige sich, er blieb bei Deutsch. Ob man die 70er als besonders empfunden habe- "Im Rückblick ja", sagt der Liedermacher im Gespräch. Aber so sei das bei Reisen, im Rückblick sind sie immer toll, aber es sei gut, dass man sich überhaupt bewegt habe. Mit "Amsterdam" verabschiedet Hoffmann sich in die Pause, bevor er in der zweiten Hälfte während "Treppe ruff, Treppe runter" den Text wörtlich nimmt und die Treppe vor Bühne hinuntersteigt, um mit dem Publikum in der ersten Reihe in Kontakt zu kommen.
"Der Star kommt jetzt ins Publikum", verkündet er. Auch vor dem Altern macht seine Lebensreise keinen Halt. Das Leben könne man vergleichen mit einem Konzert, bestehend aus Anfang, Mitte und Schluss."Und irgenwann zieht einer den Stecker und dann ist es aus".Mit mehreren Zugaben, Standing Ovations und "Mein Weg ist mein Weg" verabschiedete sich Hoffmann aus Bergneustadt.
Pfälzische Volkszeitung 04.11.2022:
Aus zwei mach eins - Klaus Hoffmann interpretiert Jacques Brel im Kulturzentrum Kammgarn
VON ANDREAS KELLER
Eine Hommage an einen berühm-
ten, bereits verstorbenen Musiker
ist schon eine besondere Sache.
Wenn der ausführende Interpret
dabei ebenso emotional hochste-
hend wie technisch versiert den zu
Verehrenden greifbar werden lässt
und ihn nicht nur etwa schnöde imi-
tiert, dann ist das eine noch außer-
gewöhnlichere Angelegenheit. So
geschehen am Mittwochabend im
voll besetzten Kasino der Kamm-
garn, als Sänger Klaus Hoffmann
dem belgischen Chansonnier
Jacques Brel über zwei Stunden lang
eine neue, tiefe und deutschsprachi-
ge Identität auf der höchstmögli-
chen Qualitätsebene einer Interpre-
tation verlieh.
Auf der einen Seite dieser Ebene:
Jacques Brel (1929 bis 1978), einer
der bekanntesten Vertreter des fran-
zösischen Chanson, der seinerzeit mit
seinen auf der Bühne mit umwerfen-
der Dynamik vorgetragenen Titeln
über die Liebe, den Tod und die Ge-
sellschaft für Furore sorgte. Und der
bis heute nachwirkt: Titel wie „Ams-
terdam“ und „Le Moribond“ kennt
man auch außerhalb der Chanson-
Welt.
Auf der anderen Seite: der Berliner
Musiker, Autor und Schauspieler
Klaus Hoffmann, Jahrgang 1951, mit
eigenen Kompositionen erfolgreich
und seit langem auch als der deutsche
Jacques-Brel-Interpret schlechthin
bekannt. Vieles von dem, was Brel
einst in seinen Chansons beschrieb
und mit seiner Musik bewirkte, (be-
)traf auch den jungen Klaus Hoff-
mann, der sich damit aus den Zwän-
gen der Gesellschaft seiner Zeit und
Umgebung zu befreien suchte.
Qualität und Unterhaltung
Seit seiner ersten von mittlerweile
über 40 Produktionen publiziert der
vielfach preisgekrönte Künstler nun
gut interpretierte Brel-Chansons mit
deutschen Texten, in der Regel aus
seiner eigenen Feder. 1996 schuf er
über den Kontakt mit Brels Witwe
Therèse das erfolgreiche Musical
„Brel – die letzte Vorstellung“. Und
zum 30. Todestag des Belgiers spielte
Klaus Hoffmann interpretiert Jacques Brel im Kulturzentrum Kammgarn
Hoffmann 2008 sogar mitten in Paris.
Wenn einer Brel kennt, fühlt und ver-
steht, dann ist es Klaus Hoffmann.
Diese große Zuneigung zum Vor-
bild war auch in der Kammgarn zu je-
der Zeit zu spüren. So erzählte Hoff-
mann in seinen launig-nachdenkli-
chen Moderationen oft erst von sich
selbst, allzumal seinen bewegten und
bewegenden Jugendjahren in Berlin,
wechselte dann fast unmerklich zur
Person und Vita Jacques Brels, die
dann schließlich in einem passenden
deutschsprachigen Chanson münde-
ten. Die Charaktere und Anekdoten
der beiden Protagonisten vermisch-
ten sich in diesem Moment, wuchsen
zu einer starken Bühnenfigur zusam-
men, die dem begeisterten Publikum
alles an Qualität, Information und Unterhaltung gaben, was es erwartet
hatte.
Ja, Bühnen-Figur – das war Hoff-
mann auch. Denn er interpretierte die
Brel-Titel nicht einfach „nur so“, sondern setzte sie meist auch noch – und zwar ganz ohne die berühmte exal-
tierte Vortragsart Brels – mit passender Mimik und Gestik fast schon szenisch um. So sang er auch schon mal an passender Stelle mit ersterbender Stimme, machte zum Ende eines tanzbaren Stücks forsche Flamenco-Schritte und ging zur Gaudi des Publikums auch schon mal mitten hinein in den Zuhörerraum. Da spürte man den gelernten Schauspieler.
Mit viel Gefühl
So ging es Schlag auf Schlag, folgten
auf die erwähnten Moderationen mit
kühnen Gedankensprüngen in jünge-
re Zeiten (in denen dann auch mal et-
wa Heidi Klum oder das SPD-Partei-
programm Erwähnung fanden) die
ungezählten Brel-Titel in neuem
sprachlichen Gewand: „So sind hier
die Leute“ (im Original „Ces gens-là“),
„Amsterdam“, „Marieke“, „Mein Flan-
derland“ („Le Plat Pays“) und „Geh
nicht fort von mir“ (bei Brel „Ne me
quitte pas“) – alles mit viel Gefühl
und, von ein paar Ausnahmen mit Gi-
tarrenbegleitung abgesehen, nur un-
terstützt vom Hans-Wolfgang Bleich
am Flügel. Der seit Jahrzehnten treue
musikalische Weggefährte Klaus
Hoffmanns diente außer als stummer
Ansprechpartner für Hoffmanns Zwi-
schen-Moderationen vor allem als
zurückhaltender, aber verlässlicher
Unterstützer. Ohne ihn und sein so
virtuos wie einfühlsames Spiel hätte
der Abend in dieser runden Form
nicht gelingen können.
Und dann der Zugabenteil. Jacques
Brel gab grundsätzlich nie einen.
Hoffmann und Bleich aber durchaus.
Und was für einen. Da gab es vor al-
lem „Adieu Emile“, das tief unter die
Haut gehende Abschiedslied eines
Sterbenden. Bei Brel hieß das Stück
„Le Moribond“, 1973 avancierte es in
aufgebohrter Version als „Seasons in
the Sun“ zu einem Welthit. Hoffmann
interpretierte es in seiner Version
ganz am Ende mit unglaublicher Kraft
und Emotion als würdigen Abschluss
eines lang erwarteten, zuvor schon
zweimal verschobenen Konzert-
abends.
Die Rheinpfalz, 31. Oktober 2022:
Dramen in Chansons gegossen.
Interview: Klaus Hoffmann über sein Leben und seine Musik
In Berlin-Charlottenburg entstanden seine ersten Lieder. Kurz vor der Pan- demie ist Klaus Hoffmann mit neuen Songs dorthin zurückgekehrt. Im Stu- dio in der Wilmersdorfer Straße nahm er mit seiner Band die 15 Chansons fürs aktuelle Album „Septemberherz" auf. Am kommenden Mittwoch gastiert der 72-jährige Musiker und Schauspieler im Kaiserslauterer Kul- turzentrum Kammgarn (Karten im Vorver-kauf und an der Abendkasse). Mit ihm sprach RHEINPFALZ-Mitarbeiter Olaf Neumann.
Künstler sind Getriebene im positiven Sinne, die ständig Neues wagen und der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Sie waren viele Monate unfreiwillig zu Hause. Bekommt Ihnen das ruhige Leben?

Ich bin diese Löcher gewohnt, aber ge- trieben bleibe ich wohl ein Leben lang. Es ist ein innerer Motor, von Kind an habe ich diese Energie verspürt. Sie kann dich auch rastlos machen. Durch das Virus wird auch sichtbar, dass viele Leute nicht mehr wissen, wie sie finanziell zurechtkommen sollen. Die Situation der Theater und Klubs war vor Corona genauso wie heute, nur katapultierte der Stillstand alles sichtbar hoch. Gleichzeitig Unsicherheit. Man weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Im retrospektiven Lied „Denk ich an Dich mein Leben" sagen Sie danke für jeden Leistenbruch. Haben Sie schon einige Krisen durchlebt?
Na klar, das ging bei mir nie so leicht und glatt. Vielleicht war es besser so, als immerfort verwöhnt zu werden.
Sie sind 1969 als junger Hippie mit einem Freund auf eigene Faust durchs vermeintlich märchenhafte Afghanistan gereist, was Sie mehrfach in lebensbedrohliche Situationen brachte. War Ihre Gitarre stets an Ihrer Seite? Meine Gitarre habe ich bewusst zu Hause gelassen. Heute verstehe ich nicht, warum ich sie nicht mitnahm. Ich wollte wahrscheinlich nicht als Sänger, sondern als Typ unterwegs sein, irgendwie selbst werden. Die Gi- tarre störte dabei, richtig echt zu sein. Ich bin mein Leben lang mit einer immer wiederkehrenden Frage herumgelaufen: Wer bin ich und wo gehe ich hin? Dabei kannst du auch verloren gehen, aber ich habe mich durch die
Hilfe vieler guter Menschen immer wieder gefunden. Gleichzeitig auch immer wieder Ecken gesucht, wo ich auf die Nase fiel. Ich bin froh, dass ich von meiner ersten Afghanistanreise heil zurückgekommen bin.
Was war daran so extrem?
Ich hatte kein Geld. Auch das Auto hatten wir durch einen Unfall verloren. Wir waren schutzlos. Die Hippies, mit denen ich zusammen war, machten mir Angst, weil sie mehr oder weniger auf Droge waren. Bis wir in Kabul einen Engländer und einen Australier, kennen lernten und mit denen in den Norden zogen. Es war gut, nicht allein zu gehen. Das schlimmste war die existenzielle Not: Ich hatte kein Geld, wurde krank und wusste nicht, wie ich zurückkommen sollte.
Warum sind Sie später noch einmal nach Afghanistan gereist?
Da war ich 23 oder 24 und schon an der Schauspielschule. Das war für mich mehr wie ein Urlaub. Ich merke jetzt, dass ich damit den Weg meines Vaters gegangen bin. Ich wollte etwas abtragen, kämpfen, selbstständig sein, weg von Muttern, hin zu mir. Viel- leicht auch aus einer alten Schuld ihm gegenüber. Wegen einer schweren Diabetes war er dazu nicht in der Lage, ich aber durfte leben.
Sie sind Afghanistan bis heute verbun- den geblieben. Über die Spendenplatt- form „Musik bewegt" haben Sie vor ei- niger Zeit Geld für die Roschani-Mäd- chenschule im afghanischen Ghazni ge-
sammelt.
Ja, Herbert Grönemeyer hat die Stif- tung „Musik bewegt" gegründet. Und der viel zu früh verstorbene, wunderbare Roger Willemsen hatte uns alle
noch dazu anstiften können, Afghanis- tan und seine Menschen nicht zu ver- gessen. Ich sammle für diese Frauen Spenden in jedem meiner Konzerte. Afghanistan ist ein Schlüssel in mei- nem Leben.
Das Lied „Was sie trugen" hat durch den Ukrainekrieg an Aktualität ge- wonnen. Sie singen über Menschen, die aus purer Not in ihr gelobtes Land fliehen. Fühlen Sie mit den Geflüchteten? Ja, das kann ich. Ich habe einen großen Respekt vor denjenigen, die sich für Geflüchtete engagieren. Ich kenne diesen Moment der Flucht sehr gut, weil ich als Träumer immer dachte, das Glück liegt woanders eher als hier. Für viele Flüchtende gibt es keine derartige Frage. Sie müssen raus, fliehen vor Gewalt und Krieg..
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Das ist ein Ansporn an mich selbst. Ich muss das so sehen, weil mir die Welt sonst gar nicht gefallen würde.
In „Basta" besingen Sie den neuen Hass, der freundlich, klug und auch nicht befremdlich daherkomme. Wo machen
Sie die Ursachen dafür fest?
Hass ist aus vielen Gründen vorhan- den. Zum Beispiel aus Bitterkeit oder Verdummung. Hass ist ein Abschalten der eigenen Identität, Anlehnen an eine Autorität, Mitgehen wollen. Der Hass ist eine böse Geschwulst unserer eigenen Situation des Miteinanders. Verblödung oder ein sich selbst von der Gesellschaft ausgesperrt fühlen. In der Gruppe heult es sich lauter. Das sieht man auch an den USA, die immer mehr auseinanderzubrechen drohen. Trump ist nur der Eisberg. Das ist eine starke kollektive und sicher auch soziale Unsicherheit. Aber für ein Land wie Deutschland ist es ebenso gefährlich, wenn die Unsicherheiten, immer sichtbarer werden und die inneren Wertigkeiten und das Menschsein in den Hintergrund rücken. Wo die Kultur stirbt, beginnen radikale Sichtweisen an die Oberfläche zu kommen.
Hält die Politik die Kunst für systemrelevant?
Ich glaube schon. Totalitäre Systeme haben sich Künstler oft zu eigen ge- macht. Kultur muss als Lebensmittel gesehen und vorhanden sein, sonst verblöden wir, die Seelen veröden. lofn
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 18. Oktober 2022:
"Im Herzen kein graues Haar"
Klaus Hoffmann singt Chansons und erzählt Geschichten im Theater am Aegi
Von Frank G. Kurzhals
Als der Chansonnier Klaus Hoff-
mann die Bühne im Theater am
Aegi betritt, ist sofort klar, dass
sein so oft verschobenes Konzert
für ihn zum Heimspiel wird: Er
wird geradezu frenetisch be-
grüßt. Huldvoll nimmt er die Ova-
tionen entgegen und schaut im-
mer mal wieder ein wenig schel-
misch auf das Publikum. Als wür-
de er das alles nicht glauben wol-
len.
Er liebe den Maschsee, Han-
nover sowieso, und erst recht sein
Hannover-Publikum, das sind die
Komplimente, die er in den Saal
zurückgibt. „Diesen Herrn
Schröder aus Hannover“ aller-
dings, der doch so oft verheiratet
gewesen sei und trotzdem nichts
dazugelernt habe, kanzelt er
schroff ab – wie auch die von ihm
offensichtlich wenig geschätzte
FDP eine Breitseite abbekommt.
Im Zentrum des Abends stand
gleichwohl das, wofür sein Publi-
kum gekommen war, nämlich
Hoffmanns Chansons aus allen
Dekaden, seine berührenden
Balladen und natürlich seine Le-
bensgeschichten. Wie er nach
Goa reisen wollte und in Afgha-
nistan ankam, wie er heraus woll-
te aus armen Verhältnissen, das
pralle Leben suchte, wie ihn der
frühe Tod seines Vaters zu den
Fragen nach dem Sinn des Le-
bens führte und wie seitdem die
Musik zu seinem Medium gewor-
den ist, um nicht im Alltag zu
scheitern.
Gefühl des Alleinseins
Sein wunderbar selbstironischer
Humor hilft ihm ebenfalls dabei.
In dem Lied „Ich hatte mir die
Nacht mit dir ganz anders vorge-
stellt“ endet er an einer Bar, al-
lein. Dieses Gefühl des Allein-
seins durchzieht viele seiner Ge-
schichten und Chansons. Klaus
Hoffmann wurde schon früh als
der deutsche Jacques Brel etiket-
tiert. Als er Brels „Amsterdam“ zu
singen beginnt, oder das ikoni-
sche „Geh nicht fort von mir“
(„Ne me quitte pas“), wird das
Publikum zum Chor. Immer,
wenn es allzu melancholisch wer-
den könnte, geht er wieder mit
seinem Humor dazwischen, er-
zählt seine altbekannten und im-
mer noch schönen Geschichten.
Poetischer Trost
Und er weiß auch höchst poetisch
zu trösten: „In meinem Herzen ist
kein graues Haar“, singt er zum
Ende des Programms, dem noch
ein Reigen von vehement einge-
forderten Zugaben aus altbe-
kannten und neueren Liedern
folgt.
Istrumental begleitet wurde
der 71-jährige von seinen lang-
jährigen Musikerfreunden, dem
Pianisten Hawo Bleich und dem
Gitarrist Michael Brandt, Peter
Keiser spielte den Kontrabass und
am Schlagzeuger saß Stephan
Genze. Ein bestens eingespieltes
Team, das die klassischen Arran-
gements souverän, akzentuiert
mit einigen schönen Soli, anei-
nanderreihte. Ganz ohne Ironie.
Hamburger Abendblatt, 13.10.2022: Klaus Hoffmann: „Ich bin so
froh, dass Sie da sind!“
Der Sänger trat in der gut gefüllten Laeiszhalle auf – es waren schöne zweieinhalb Stunden
 
Annette Stiekele
Hamburg. Klaus Hoffmann steht auf der Bühne der Laeiszhalle und sagt den Stoßseufzersatz, den man in diesen Tagen natürlich häufiger hört: „Ich bin so froh, dass Sie da sind!“ Auch diese Tour musste immer wieder verschoben werden. Aber die Hamburger haben Hoffmann nicht vergessen. Wie könnten sie auch. Schließlich kennen sie ihn nicht nur als Sänger und Liedermacher, sondern auch als Schauspieler aus dem Ensemble des Thalia Theaters. Ist schon etwas länger her. Damals, ab 1978, spielte Hoffmann unter Boy Gobert unter anderem in „Romeo und Julia“ und in „Kabale und Liebe“.
Parallel startete er seine Sänger-Karriere. Auf der Bühne weiß er beide Talente bis heute zu verbinden. Im eleganten dunkelblauen Anzug hält er meist die Gitarre in der Hand, kennt aber die Wirkung von Gesten und Blicken, hält immer Kontakt zum Publikum. Hoffmann singt Lieder aus allen Dekaden. Das muntere „Ich hatte mir die Nacht mit dir ganz anders vorgestellt“, von einer Liebesnacht, die ihn allein an der Bar stranden ließ. Oder die Italien-Erinnerung „Riccione“. Nach einigen Liedern zum Aufwärmen lauscht das Publikum gebannt, singt teilweise mit oder pfeift im Kollektiv. Unvergleichlich interpretiert Hoffmann die Lieder der belgischen Chanson-Legende Jacques Brel: „Amsterdam“ mit seinem Matrosentext, der natürlich auch in Hamburg bestens funktioniert. Oder die Verlustangst-Hymne „Geh nicht fort von mir“.
Das Licht in der doch recht gut gefüllten Laeiszhalle ist bescheiden. Manchmal ist die Band im Dunkeln, und nur ein Spot ruht auf dem Sänger. Es ist ein wenig, als würde man mit ihm am Lagerfeuer sitzen. Gerne gibt er den Geschichtenerzähler., lässt die Kindheit Revue passieren. Die harten Nachkriegsjahre, den frühen Tod des Vaters, der den damals Zehnjährigen mit einem Gefühl von Leere zurückließ. Es folgen Erinnerungen an die Anfänge in Berliner Szenebars, Begegnungen mit der linken Szene, Hannes Wader. Mancher mag die Geschichten schon kennen, aber Hoffmann ist ein fesselnder Erzähler.
Seine Lieder werden von seiner vierköpfigen Band aus Pianist Hawo Bleich, Gitarrist Michael Brandt, Kontrabassist Peter Keiser und Schlagzeuger Stephan Genze apart intoniert und sind sehr klassisch arrangiert. Sie strahlen eine Liebe aus zum Kleinbürger-Dasein, zum Berlin der Nachkriegsjahre, zu den Frauen. Hoffmann versäumt aber auch nicht, den Krieg in der Ukraine zu verfluchen und Spenden für die Frauen in Afghanistan zu sammeln. Wenn die Welt so verrückt spielt wie derzeit, tut es gut, mit Klaus Hoffmann am „Lagerfeuer“ zu sitzen und zweieinhalb Stunden seinen Geschichten zu lauschen.
Berliner Morgenpost, 12. Oktober 2022:
Klaus Hoffmann singt Chansons für
die Ewigkeit
In der Philharmonie blickt der Musiker auf sein Leben zurück
Ulrike Borowczyk
Früher mal, in seiner Kindheit, war Liedermacher Klaus Hoffmann in vielerlei Hinsicht ein Genie. Er konnte die Lottozahlen vorhersagen und wuppte die 100 Meter in rekord-verdächtigen 10,1 Sekunden. Heute, mit 71 Jahren, spinnt er herrli-
che Geschichten mit maximal halbwah-
rem Kern und foppt dabei sein Publikum. Dem könne er ja alles erzählen, weil es dafür bezahlt hat. Noch besser als im semibiografischen Auspinseln seiner Vergangenheit ist der Berliner als Musiker. Mit
seinen Storys gibt er seinen Songs einen Background. Wenn er Lieder wie „Wenn“ oder „Die Zeit gehört den Zärtlichen“ anstimmt, verwandelt sich das anekdotisch Heitere ins melodisch Nachdenkliche,das Pointierte ins Poetische.
Es ist eine wunderbare Zeitreise, auf die der Liedermacher die Zuschauer bei seinem Konzert in der Philharmonie mitnimmt. Klaus Hoffmann ist mit seiner Band auf der „Septemberherz-Tour“, mit der er seinen 70. Geburtstag nachfeiert.
Ursprünglich geplant für 2021, musste die Konzertreise aus bekannten Gründen verschoben werden. Dass er nun nicht mehr sein rundes Jubiläum begeht, ficht den Musiker nicht an. Im Gegenteil. Man hat das Gefühl, je älter er wird, desto launiger
geraten seine Moderationen.
Mit denen geht es mitten hinein in den Hoffmannschen Kosmos. Zurück in die Kindheit in den Fünfzigern, als er in der Charlottenburger Kaiser-Friedrich-Straße lebte. Später dann zog es ihn in ein „mieses Viertel“ namens Zehlendorf. In das kleine Haus seines Stiefvaters. Dort wurde die Piefigkeit mit Inbrunst gelebt. Ein röhrender Hirsch an der Wand und sogar das Telefon war aus Trevira. Jener unkaputtbaren Chemiefaser, die damals für den Fortschritt stand.
Klaus Hoffmann machte eine Lehre bei
Klöckner-Eisenhandel GmbH Co. KG
und sehnte sich heraus aus diesem Leben.
Ging hinein in die Clubs, in denen er
gegen den Zeitgeist deutsche Songs zur Gitarre spielte. Glattrasiert. Damals, als alle Bart trugen. Sogar die Frauen. Ein gewisser Hannes Wader sagte ihm eine strahlende Zukunft voraus, wenn er sich an Mao Tse-tung hielte. Nur wusste der junge Sänger nicht, wer das ist. Er wollte lieber mit Kumpel Siggi nach Goa. Geschafft haben sie es immerhin bis Afgha-
nistan.
Bis heute ist Klaus Hoffmann ein Rei-
sender. Nicht nur geografisch, sondern auch in seinem Herzen. Sein umtriebiges Leben hat er in Lieder gegossen. Hingebungsvolle Romantische wie das Liebes-Wiegenlied „Wenn Malene träumt“, das seiner Frau gewidmet ist, und melancholische wie „Musik der Straße“. Meist greiftder Musiker dabei selbst zur Gitarre, wird aber auch von seiner vorzüg-lichen vierköpfigen Band mit strahlenden Akustik-Arrangements irgendwo zwischen Chanson, Jazz, Latin und Pop begleitet.
Hoffmann ist jung geblieben: „In mei-
nem Herzen gibt es kein graues Haar“
Bei den neuen und alten Liedern dürften natürlich auch die Chansons von Jacques Brel nicht fehlen, den Klaus Hoffmann wie kaum ein anderer interpretiert. Und schafft mit Songs wie „Das Lied der Liebenden Alten“ Momente, die voller Wehmut sind. Eine Stimmung, die das Konzert trotz der vor Esprit sprühenden Conféren-
cen durchdringt. Klaus Hoffmann blickt schließlich vor allem zurück in seinem achten Lebensjahrzehnt.
Aber Hoffmann ist auch ein jung Ge-
bliebener, der von sich sagt: „In meinem Herzen gibt es kein graues Haar.“ Deshalb schaut er auch zugleich voller Hoffnung in
die Zukunft. Eine Dualität, die er im Lied „Und ich weiß nicht ob’s vorbei ist“ besingt. Und er lässt mit dem hymnischen „Ich würd es wieder tun“ keinen Zweifel daran, dass er sich zu jedem Zeitpunkt in seinem Leben für die Musik entschieden hätte. Ein Chanson für die Ewigkeit.
Westfälische Allgemeine Zeitung, 10.10.2022: ESSEN
Klaus Hoffmann in der Philharmonie: Zwischen Berliner Kiez und Kabul
Der Liedermacher, Chansonnier, Schauspieler und Autor begeistert seine Fangemeinde. Der 71-Jährige präsentiert alte und neue Songs, erzählt aus seinem Leben
Bernd Schuknecht
„Glaube, Liebe, Hoffmann, kann
man das so sagen?“ fragt Klaus
Hoffmann mit einer Mischung aus
Kalauer und philosophischem An-
satz seine Fangemeinde in der Phil-
harmonie. Sichtlich zufrieden
nimmt der 71-jährige Lieder-
macher, Chansonnier, Schauspieler
und Autor den zustimmenden Ap-
plaus von rund 400 Menschen ent-
gegen, von denen ein Großteil seine
Karriere bereits ab Mitte der 1970er
Jahre verfolgt haben dürfte.
Schnell noch seine bewährte
Band mit Michael Brandt (Gitarre),
Peter Keiser (Kontra- und E-Bass)
Stephan Grenze (Schlagzeug) so-
wie Hawo Bleich (Flügel, Key-
board) vorgestellt, und schon be-
ginnt der Berliner Klaus mit „Hoff-
manns Erzählungen“, die natürlich
in seiner Kindheit, mit dem Lied „In
meinem Kiez“ beginnen.
Seine „Septemberherz-Tour, die
eigentlich bereits im Frühjahr 2021
zu seinem 70. Geburtstag hätte star-
ten sollen, läuft förmlich über von
biografischen Impressionen, in
denen sich Fakten und Phantasie,
Selbstironie und Nachdenklichkeit
vermengen. Seine Stimme schwä-
chelt bisweilen, klingt dann vernu-
schelt, in anderen Momenten klingt
sie hingegen sehr präsent.
Er beginnt mit seiner Kindheit,
mit einem Vater, der Finanzbeamter
war und nie seine Liebe zur Musik
ausleben konnte, und einer Mutter,
deren musikalische Vorlieben zwi-
schen Verdis „Gefangenenchor“
aus „Nabucco“ und Schlager von
Bata Illic oszillierten. Doch irgend-
wann, so sein Versprechen, käme er
ganz groß raus.

Womanizer alter Schule
Zunächst will er mit einem Kumpel
nach Goa, landet aber schließlich in
Kabul, einen anderen Sehnsuchts-
ort der damaligen Hippie-Bewe-
gung. In einem aufgeheizten 68er
Jahr, wo in Berlin Liedermacher
entweder die politisch linke Fahne
hochhielten oder herumblödelten,
fand Hoffmann eine Nische zwi-
schen eingedeutschtem Chanson –
hier hatte Reinhard Mey als Frédé-
rik Mey Vorarbeit geleistet – und ro-
mantischem Lied für eine weibliche
Klientel, die sich auch von Leonard
Cohen verzaubern ließ.
So ernteten seine Adaptionen
von Klassikern der belgischen
Chanson-Ikone Jacques Brel wie
„Amsterdam“ oder „Geh’ nicht fort
von mir“ („Ne me quitte pas“) be-
geisterten Applaus, der sich bei
„Gerda“ einem prallen musikali-
schen Sittengemälde noch steigert.
Auch die blinde „Katharina“, die
ihn Singen lehren soll, lässt das Publikum jubeln. Von den neuen Titeln
aus dem Septemberherz-Album
präsentiert sich Hoffmann mit „Die
Zeit gehört den Zärtlichen“ noch
immer als Womanizer alter Schule.
Mit „Wie sich Flügel dreh’n im
Wind“ hat er sich erneut eines
Chanson-Klassikers, diesmal „Les
moulins de mon coeur“ von Michel
Legrand, das auch in den USA als
„The Windmills of Your Mind“ ein
Erfolg war, angenommen.
Die Band unterstützt ihn nicht
nur perfekt, zwischen den Musi-
kern herrscht auch eine überaus
spielfreudige Atmosphäre. Als Zu-
gabe freut sich das „September-
herz“ „...nicht vergessen, auf ein
nächstes Mal in Essen“. Freneti-
scher Jubel und schließlich ein fina-
les Abschiednehmen im Foyer beim
Signieren von Büchern und CDs.
Westfalenpost Herdecke 13.09.22:
"Ein Abend mit Charme, Humor und Leichtigkeit"
Klaus Hoffmann und sein musikalischer Partner Hawo Bleich begeistern ihr Publikum in Herdecke
Ein Abend voller Wärme, der berührte und unter die Haut ging. Still, aber nicht leise nahm Klaus Hoffmann das Publikum im ausverkauften Werner Richard Saal kürzlich mit auf die Reise.
Klaus Hoffmann, ein Chansonnier, Poet und Charmeur versteht es noch immer wie kaum ein Zweiter, dasPublikum in seinen Bann zu ziehen. Der 71-jährige begegnete seinem Publikum auf Augenhöhe und verließ dazu auch schon mal die Bühne und schlenderte durch die Sitzreihen. Mit seiner unaufdringlichen Art, sich dem Publikum zu nähern, schuf er eine schon fast intime Atmosphäre im Saal. Der Abend geriet zu einer einzigen Geschichte wie aus einem Drehbuch mit Erzählungen, deren Inhalte man glauben kann oder nicht, die einen zum Nachdenken oder zum Lachen bringen. Mit Liedern, die unvermeidlich Bilder im Kopf erzeugen, weil sie so "wahr" erscheinen wie etwa in "Für das bisschen Zärtlichkeit" oder "Wie sich Flügel drehn im Wind", Hoffmanns deutscher Version des Klassikers "Windmills of your Mind". War das Publikum gerade noch versunken in romantisch verklärten Narrativen, wischte Hoffmann diese mit Sätzen wie "Schön, dass Sie hier sind, sie sind das beste Publikum, das wir heute auftreiben konnten" wieder weg, um die Anwesenden gleich in das nächste Gefühlschaos mit seiner deutschen Version von Jacques Brels "Amsterdam" zu stürzen.
Nach einer kurzen Pause drehte Hoffmann dann noch einmal richtig auf, Als hätte er sich jetzt erst richtig warm gesungen, war die Stimme noch voller und präsenter. Das ließ der spontan entwickelte -2Publikums-Chor" nicht auf sich sitzen. Während die Gäste in der ersten Hälfte des Konzerts noch sehr verhalten einstimmten, nahm auch hier das Volumen zu. Wenngleich Hoffmann bei "Derselbe Mond über Berlin" auf sehr humorvolle Art etwas korrigieren musste, verstand er das Publikum jedoch mit Leichtigkeit zu dirigieren.
Auf seine charmante Art amüsierte er sich über Lautstärke oder Aussprache, aber immer so, dass das Publikum mehr damit beschäftigt war, über sich selbst zu lachen als vergrämt zu sein. Hawo Bleich am Flügel - auf den ersten Blick ein unauffälliger musikalischer Begleiter, auf den zweiten aber ein nicht wegzudenkender Part des Auftritts. Der Pianist, der Hoffmann schon seit Jahrzehnten begleitet, versteht es hervorragend, den Sänger und sein eingestreutes Gitarrenspiel zu tragen, ohne aufdringlich zu wirken.Es war ein besonderer Abend mit einem Publikum, das mit anhaltendem Applaus weniger Zugaben einforderte, sondern eher Danke sagte.
Billerbecker Anzeiger 17.02.2022
"Klaus Hoffmann spricht über sein Album "Septemberherz" und sein Gastspiel am 8. Mai auf der Freilichtbühne
"Kein Heimspiel, sondern immer neu"
Er ist ein äußerst gern gesehener Gast in Billerbeck: der Sänger, Liedermacher, Autor und Schauspieler Klaus Hoffmann. Am 8. Mai (18 Uhr) kommt er wieder auf die Freilichtbühne und hat sein neues Album im Gepäck, das anlässlich seines 70. Geburtstages im vergangenen Jahr erschienen ist: "Septemberherz". Hoffmann mischt hier Melancholisches, Politisches, Poppiges und Persönliches. Über das Album, sein aktuelles Lebensgefühl und seine Beziehung zu Billerbeck hat Redakteurin Ulrike Deusch mit Hoffmann gesprochen.
Herr Hoffmann, zum fünften Mal treten Sie in Billerbeck auf. Ist das schon ein Heimspiel?
Hoffmann: Heimspiel? Das ist eine Vokabel, die mir gar nicht gefällt. Bitte kein Heimspiel, sondern immer neu. Ich habe die besten Erinnerungen an Billerbeck. Das ist so eine verrückte Atmosphäre da draußen auf der Freilichtbühne. Man denkt es sind die Karl May Festspiele...(lacht). Aber die Organisatoren sind so liebe Menschen und die Zuhörer sind immer offen für mich und meine Geschichten. Es waren dort oft ganz besondere Augenblicke.
15 Lieder haben Sie für das neue Album "Septemberherz" geschrieben. Worauf dürfen sich die Zuhörer beim Konzert in Billerbeck freuen?
Hoffmann: Mein wunderbarer Pianist Hawo Bleich kommt ja auch wieder mit. Wir tauchen für zwei Stunden ein in eine Art Lebensfilm. Wenn man jenseits der 70 ist, schaut man gern auf die großen Lebensfragen. Wo kommt man her? Wo geht man hin? Letzteres frage ich mich in dieser Zeit vor allem. Die Kultur leidet extrem unter den Folgen der Pandemie. Wenn ich jetzt ins Kino gehe, sitzen da manchmal nur drei Leute. Es wird lange dauern, bis das kulturelle Leben wieder so ist, wie wir es in der Zeit vor der Coronapandemie kannten.
Das Album entstand coronabedingt unter besonderen Bedingungen oder? Was war für Sie die größte Herausforderung?
Hoffmann: Ich bin ein Mensch und ein Künstler, der von der Bühne lebt. Ich habe auch in den schwierigen Zeiten die Musik nie verlassen. Aber man braucht sehr viel Kraft, um zu vertrauen. Dass wir Künstler in usnerer Arbeit so eingeschränkt waren, hat sich auf mein Selbstvertrauen ausgewirkt. Das Coronavirus hat uns Menschen auseinander gebracht, vielleicht auch, damit wir uns neu positionieren und wieder finden.
Würden Sie sagen, dass Ihre neuen Lieder noch persönlicher geworden sind? Schließlich haben Sie für dieses Album mit Ihrer Tochter gesungen.
Hoffmann: Meine Lieder waren immer sehr persönlich, aber das habe ich früher mehr versteckt. Wenn du älter bist, ist es einfacher, sich etwas zu trauen. Ob meine Tochter Laura und ich ein Duett machen sollten, haben wir lange überlegt. Es sollte nicht penetrant wirken. Laura ist irre musikalisch, aber sie misstraut dem Weg, dauraus einen Beruf zu machen. Wir beide sehen uns nicht sehr oft. Dieses gemeinsame Lied hat uns einander näher gebracht.
Über 400 Lieder haben Sie geschrieben. Woher nehmen Sie die Inspiration?
Hoffmann: Für diese Antwort würde ich sehr weit zurückgehen - in meine Kinderzeit. Ich war als Kind sehr auf mich zurückgeworfen und oft einsam. Da fängt man an, seine Fantasie zu entwickeln - so wie Karl May, der im Knast angefangen hat, Geschichten zu erfinden. Meine Einsamkeit ist mein bester Freund. Man muss dann nur das Vertrauen haben, aus dem, was entsteht, etwas zu machen. Also: Meine Inspiration nehme ich aus der Leere.
Was war Ihnen beim Album "Septemberherz" besonders wichtig?
Hoffmann(lacht): Ich dachte, es wäre das letzte Album. Aber jetzt entdecke ich immer mehr, dass das nächste das letzte sein wird.
Was wünschen Sie sich für das Konzert auf der Freilichtbühne?
Hoffmann: Gutes Wetter! Wenn es regnet, kann ich das nicht immer, wie es schon mal geglückt ist, mit meiner guten Laune auffangen. Und ich wünsche mir, dass die Leute mit so viel Offenheit und Humor kommen, wie ich es kenne.
Hier gibt es Tickets:
Die Karten für das Konzert am Sonntag (8.5.) um 18 Uhr kosten 35 Euro. Sie sind erhältlich in den Geschäftsstellen unserer Zeitung in Billerbeck , Coesfeld und Gescher sowie bei der Freilichtbühne:
www.freilichtbühne-billerbeck.de
RHEINPFALZ Nr. 278, 30.11.2021
"Brel war ein Haltegriff"
Noch steht der Plan. Der Sänger Klaus Hoffmann hat zwei Auftritte in der Region vorgesehen, einen im Januar in Kaiserslautern und schon nächste Woche einen im Mannheimer Capitol. Ein Gespräch über seine lebenslange Leidenschaft für den belgischen Chansonnier Jacques Brel, das Älterwerden und Konzerte als Booster für die Seele.
Herr Hoffmann, wie geht es Ihnen in diesen erneut komplizierten Tagen?
Die Musikveranstalter hängen völlig in dem täglichen Wahnsinn.
Das heißt?
Wir mussten jetzt Bayern absagen. Wir leben von den Konzerten, wir hatten 16, die alle verlegt wurden, immer wieder verlegt. Aber sie blieben uns. Die Konzerte waren nicht immer voll besetzt, aber immerhin. Wir wollen ja im März mit einer großen Tour starten, eigentlich haben wir ja schon Karten verkauft, aber es ist sehr schwierig. Die Veranstalter stehen zwischen Baum und Borke. In der letzten Zeit machte mich das wieder sehr wütend, dass von der Politik so viel versäumt wurde im Sommer. Vorzuplanen. Auch wenn Wahlkampf war. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich sauer wurde. Die Kultur steht in diesen Zeiten immer am Ende der Schlange.
Wie ging es Ihnen persönlich in den vergangenen Monaten?
Ich kam zur Ruhe. Aber mein Geist hing in den Lebensjahren. Ich bin älter geworden, erst 69, dann 70 Jahre, beides konnte ich in dem Sinne des Lebens nicht feiern. Ich war dann doch an Dinge erinnert, an die Zeiten, in denen die Existenz wichtig war, noch viel wichtiger als heute. Wir nannten das immer Geld zählen, das wir nicht haben. Mit Humor durchgehen, im Haus sein, das fand ich dann wieder gut, weil ich mal zu mir kam. Das Album „Septemberherz“ habe ich einen Tick vorher herausbringen können. Die Band hing überall, wir mussten über den Bildschirm kommunizieren. Das war schon eigenartig. Und ich habe immer wieder erkannt, dass ich den Beruf nicht nur gerne mache, sondern liebe. Die Lieder haben mir Halt gegeben, und sie haben mich ein Leben lang befreit. Seit ich angefangen habe mit 16 Jahren. Ich habe unheimlich viel lesen können, endlich mal den kompletten Leonhard Cohen.
Umständehalber waren Sie ja zeitweise mit zwei Programmen unterwegs: Mit dem Brel-Programm und den Septemberherz-Liedern. Wie kompliziert war das denn?
Es war sehr kompliziert. Das muss ich auch sagen: Ich habe die ganze Corona-Zeit Texte gelernt. Ich gehe hier jeden Morgen einmal um den See am Stadtrand von Berlin und babbel vor mich hin. Das war gut. Ich singe, glaube und hoffe so lange, bis ich nicht mehr kann. Es ist nicht nur, dass ich auftrete, narzisstisch, die Bestätigung ist das eine, aber der Vorgang alleine ist schon toll. Wenn man singen darf. Das ist Therapie plus.
Sie haben Jacques Brel angesprochen. Woher kommt diese lebenslange Liebe?
Jetzt waren wir sogar in Brüssel im Europaparlament und haben Brel gesungen, das war eine große Ehre. Ich habe den Belgiern beigebracht, wie Brel auf Deutsch klingt. Einige wussten noch nicht einmal, wie er auf Französisch war. Wir haben alle unsere Vorbilder. Aber er war, wie soll ich sagen, ein Haltegriff. Ich habe ihn mir gegriffen, weil ich damals einfach nicht wusste: Was macht ein Sänger? Ich hatte davor Elton John und Hildegard Knef im Kopf. Und Harald Juhnke. Danach kam nichts, dann Bob Dylan. Ich habe ihn mir genommen, wie Schriftsteller sich Brecht nehmen. Ich arbeite mich an Brel ab. Ich bereue nichts.
Als Sie angefangen haben, wurden Künstler wie Sie mit dem putzigen Begriff Liedermacher bezeichnet. Das greift mit Blick auf ihre musikalische Entwicklung heute viel zu kurz, oder?
Ich will da heute keinen kränken, das ist ja auch ganz schön. Aber es ist wieder so deutsch. Ich habe mich Sänger genannt. Das klingt archaischer. Am besten haben es die Amis mit Singer/Songwriter. Die Italiener mit ihrem Cantori. Wie auch immer. Ich bin ein Liedermacher. Und auch ein Schauspieler, einer der singt und schreibt. Ich glaube, ich bin Hoffmann. Basta.
Ihr Spätwerk nimmt Anleihen an verschiedene Richtungen. Zeichnet Sie das aus, diese Wandlungsfähigkeit?
Ich möchte weiterhin auch mit Orchestern arbeiten. Die letzte Platte habe ich musikalisch sehr heruntergefahren, sie war sehr pur. Meine Musiker und ich machen sehr unmoderne Musik, und das ist gut. Dadurch kann ich auf Bossa gehen, oder mit anderen Latino-Einflüssen arbeiten. Mich interessieren auch immer mehr die Amerikaner. Sie sind uns voraus gewesen. Ich kam von Joni Mitchell und von Paul Simon. Das waren Leute, die früh mit ihrer Biografie gearbeitet haben. Erinnerungskünstler. Auch Brel hat das gemacht. Charles Aznavour ging dann noch weiter, er hat Jazz gemacht.
Erinnerungskünstler, ein gutes Stichwort. Die Vergangenheit spielt in Ihren Konzerten immer noch eine große Rolle. Beispielsweise der frühe Tod des Vaters. Verarbeiten Sie das an den Abenden auf der Bühne?
Er taucht auf und gibt die Begründung für das, was mir immer fehlte Ich habe John Lennon wieder entdeckt, der seine Mutter immer wieder herauskehrte, weil sie fehlte. Es geht darum, dass ich mir in meinem Leben immer mehr klar werde, was für ein Geschenk ich hatte. Das war nicht die Wunde, sondern es machte auch den Raum frei. Es ist nicht mehr nur Bedürftigkeit, es ist Teil meiner Reise.
Ich habe gerade den süßen Satz eines Konzert-Besuchers gelesen, Ihre Konzerte seien Booster für die Seele. Stimmt das? Ist das Ihr Auftrag?
Das fand ich auch gut. Aber n ur Lebenshilf - Nein. Generell mache ich schon auch Sachen, bei denen du von einem Gefühl ins andere fällst. Frank Zappa, den ich auch eine Zeit lang mochte, hat die Leute provoziert in einer Form, wo man ihn nicht mehr in den Arm nehmen wollte. Aber letzten Endes ist jeder eigenständig.
Berlin, immer auch ein Schwerpunkt. Ist das heutige Berlin noch das Berlin, das Sie so liebten?
Jetzt in der Corona-Zeit habe ich mich täglich in meinen alten Benz gesetzt und bin einmal über den Wannsee meine große Kurve gefahren und habe meine Musik gehört. Und da hat mir Berlin wieder unglaublich gefallen. Ich war wieder zu Hause. Manchmal bemitleide ich mich und die Stadt, weil wir so problematisch sind, weil wir so ein breites Unruhefeld sind. Aber es ist hier auch wie im alten Rom, wir müssen mit dem Geld umgehen, das fehlt. Das schafft Fantasie.
Sie wurden im Frühjahr 70 Jahre alt. War das ein Moment, um inne zu halten? Oder ging es gerade so weiter?
Ich habe mich schon erschrocken. Vorher hatte ich die sechs davor, da habe ich mir nie was über das Älterwerden gemacht. Ich bin lebenslustig genug um zu sagen: Ein Glück bin ich noch nicht 80 Jahre alt, aber ich hoffe, es zu werden. Das war nicht immer so.
Interview: Udo Schöpfer
Badische Neueste Nachrichten 15.11.2021:
"Der Barde an der Gitarre"
Sänger Klaus Hoffmann begeistert das Publikum im Baden-Badener Kurhaus
Von unserer Mitarbeiterin Christiane Krause-Dimmock
Dass seine Fans keine Corona-gefärbte Müdigkeit vorschützen, davon könnte Klaus Hoffmann im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied singen. Der Donnerstagabend im Baden-Badener Kurhaus war ausverkauft.
Ein bisschen Brel, ein wenig Septemberherz und ganz viel Charme legte der frischgebackene 70-jährige an den Tag, plauderte munter drauf los, nahm mit in Berliner Hinterhöfe, in enge Teeküchen mit schwatzenden Sekretärinnen, die ihn um Haupteslänge überragten, was die Sache für ihn erotischer machte, und träumte von Goa. All das, ganz gleich was er singt oder sagt, wirkt authentisch, klingt wie die echte eigene Hoffmann-Lebensgeschichte, die in seinem Kiez beginnt, wo jedes Fest ein Glückwunsch an die Welt war und er sein wollte wie eine Mischung aus Hildegard Knef und Yves Montand.
Während sich das Publikum, trunken von all den vielen schönen Tiraden, den romantisch-Verklärten Frauenversteher-Vorträgen worttrunken in die Rückenlehne sinken lässt, wischt Hoffmann die eben geschaffenen Gefühlstiefen mit einem Nebensatz wieder weg. "Wenn Ihr glaubt...". Und schon geht's weiter, wandert das Jacket auf den Flügel von Hawo Bleich, während der Barde zur Gitarre greift und seine Mädels aufmarschieren. " Ich hatte immer Frauen um mich. So wie hier." Und dann kommen sie und entzücken das Publikum, die blinde Katharina, die träumende Marlene und die tanzende Gerda. Doch das Karussell des besungenen Lebens drehte sich weiter wie ein bunt bebildertes Kaleidoskop aus Geschichten, die zum einen das Leben schrieb, zum anderen der Künstler selbst. Er versteht es, sich den Menschen auf ganz besondere Weise zu nähern, baut Brücken zum vornehmlich weiblichen Publikum unterschiedlicher Generationen auf, kommt von der Bühne herunter und begrüßt auf Augenhöhe.
Genau das ist seine Kunst, die er letztlich auch auf einfühlsame Weise in Worte packt und zu Liedern macht. Genau wie die eingangs besungene blinde Katharina ihn bei der Hand nehmen soll, so führt auch er seine Zuhörer in eine neue Welt und öffnet die Augen für Randfiguren, für die Marieke etwa aus dem Flandernland oder für die, die er liebt. Das trifft auch auf ihn zu, weil er es auf fast schon grandiose Weise versteht die unterschiedlichsten Stilrichtungen zu bedienen, den Größen des französischen Chansons zu huldigen ohne sich anzubiedern und eine Geschichte zu erzählen, die den Abend zu einem durchgängigen Plott geraten lässt, fast wie in einem Film. Das kann man glauben oder nicht, wie er selbst meint. Doch unterm Strich ist es berührend und unterhaltsam, was Hoffmann mit seinem Pianisten auf die Bühne zaubert. Dafür liebt ihn sein Publikum. Mit minimalen Handbewegungen dirigiert er einen spontan in den Rängen gebildeten Chor bravourös, fast so als habe man die Einlagen miteinander sorgfältig einstudiert.
Es fühlt sich einfach alles gut an. Denn immer wieder treten die guten alten Moralvorstellungen zu Tage, zeigt Hoffmann Herz und sich selbst als Mensch. Der Schmerz um den jung verstorbenen Vater ist immer wieder ein Thema, ebenso wie der alte VW Käfer mit dem seine Freunde und er nach Goa reisen wollten. Ob da was dran ist? Spielt ja auch gar keine Rolle. Vielmehr kommt es auf die Songs an, die so herrlich authentisch wirken, die sofort Bilder erzeugen, die von Worten und Melodie getragen werden, wie etwa "Die Männer meiner Mutter" oder "Für das bisschen Zärtlichkeit", mit dem er sich in das Leben weiterer Randfiguren der Gesellschaft hineinfühlt.
Ein wohlig-warmer Abend, der unter die Haut ging, immer wieder berührte und zum Lachen brachte. Denn das hat er drauf, der Klaus Hoffmann. Mit den Menschen zu reden, mit den Menschen zu leben, ohne abgehoben zu wirken.
Pforzheimer Zeitung 04.10.2021
Dramatisch, pathetisch, lyrisch: Klaus Hoffmann interpretiert Chansons von Jacques Brel im Kulturhaus Osterfeld
Pforzheim. Osterfeld-Geschäftsführer Bart Dewijze ist Belgier – und stolz auf den in Schaerbeek und Brüssel aufgewachsenen Chansonnier und Schauspieler Jacques Brel (1929-1978). Natürlich lässt er sich die Anmoderation zum sonntäglichen 17-Uhr-Konzert "Klaus Hoffmann singt Jacques Brel" nicht nehmen.
So bereitet er den Boden für die folgenden 70 Minuten, die Hoffmann und sein Pianist Hawo Bleich als musikalische Hommage an Brel anlegen. Mit dem Chanson "Die Vornamen von Paris" (Originaltitel: "Les prénoms de Paris") entführen die beiden Berliner in die Seine-Metropole – und lassen mit "Die Spießer" ("Les Bourgeois") sofort ein Lied aus Brels Repertoire folgen, das kollektive Dummheit geißelt, gegen Ungerechtigkeit und Bigotterie unmissverständlich Position bezieht.
Die Chansons des Abends umgibt Hoffmann mit Salonplauderei, Aperçus und scheinbar beiläufig lose hingeblätterten Gedankenfetzen, die seine eigenen Erlebnisse aufblitzen lassen, von Berlin-Charlottenburg bis Afghanistan, das er 1970 auf abenteuerliche Weise bereist und nie mehr vergisst – sein Unmut über die wiederholte Besetzung des Landes und den unlängst stümperhaft organisierten Abzug wird deutlich.
Affinität zu Brel schon in jungen Jahren entdeckt
Die eigene Affinität zu Brel entdeckt Klaus Hoffmann (geboren 1951) bereits als 24-Jähriger. "Er sang anders", beschreibt er seine frühe Faszination. "Ich war von seiner Stimme begeistert, wollte ihn aber nicht kopieren". Schon sein Debüt-Album "Klaus Hoffmann" (1975) wartet mit drei ins Deutsche übertragenen Brel-Liedern auf. Dramatisch, pathetisch, lyrisch.
Und die Produktion "Was bleibt?" präsentiert im Folgejahr Brels Klassiker "Geh nicht fort von mir" ("Ne me quitte pas") und "Marieke". "Mit vorangeschrittenem Alter", sagt Hoffmann, "entdecke ich Brel, der selbst nie ein alter Sänger werden wollte, noch einmal neu".
Im Osterfeld greift Klaus Hoffmann bei "Marieke" zur Gitarre – und Hawo Bleichs perlendes Pianospiel wird zum Sahnehäubchen, das den Titel mit ungeheurem Schwung versieht, zum Tanzen einlädt. "Brel hatte Segelohren wie Dominique Horwitz", ätzt Hoffmann grinsend: "Er sah wirklich schlimm aus, aber ich liebte ihn. Er sang – und verbrannte. Er träumte davon, ein Freiland zu finden, da nahm er sein Boot und segelte auf die Marquesas".
Zuschauer spenden stürmischen Applaus
Brels Chanson "Amsterdam" folgt; Hoffmann singt mit Inbrunst, stampft im Rhythmus und tanzt mit seiner Gitarre. Die Zuschauer spenden stürmischen Applaus.
Weitere Höhepunkte folgen mit "Wenn uns nur die Liebe bleibt" ("Quand on n'a que l'Amour"), das Hoffmann mit sparsam eingestreutem Gitarrenspiel begleitet und mit dem Ausruf "Brel lebt. Brel lebt!" beschließt, mit dem Chanson "Die Alten" ("Les vieux") und der mit Ovationen belohnten Zugabe "Adieu Emile". Mit "Macht's gut, Leute. Bleibt gesund!" verabschieden sich Hoffmann und Bleich vom Publikum.
Autor: Robin Daniel Frommer
Berliner Morgenpost 22.08.2021:
"Perfekte Balance"
Als sei er nie fort gewesen: Der Sänger Klaus Hoffmann in der Bar jeder Vernunft
Ulrike Borowczyk
Plötzlich ist sie wieder da, diese Klaus-Hoffmann-Magie. Endlos lang vermisst, swingt sie sich mit dem Song "Die Zeit gehört den Zärtlichen" in Gehörgänge und Herzen. Als wäre der Sänger nie weg gewesen. Verlernt hat er zumindest nichts in der Pandemie-Auszeit.
Kaum wieder auf der Bühne, strickt er launig an der eigenen Legendenbil-dung. Erzählt von seinem fantastischen Aussehen. Damals, als er noch jung und ein Trenchcoat sein ganzer Stolz war. Ach ja, überbegabt war er natürlich auch. Als Liedermacher, Schauspieler und so fort. Es sei schon verrückt, dass er jetzt älter werde. Ganz im Gegensatz zu seinem verehrten Publikum, versteht sich. Daher habe er sich vorgenommen, sich nichts mehr vorzunehmen. Außer, die Zuschauer bestmöglich zu unterhalten.
Erfrischend selbstironisch gibt sich Klaus Hoffmann in der Bar jeder Vernunft bei der Uraufführung seines Programms "Septemberherz". Benannt nach seinem gleichnamigen Album, vereint der konzertante Abend viele der neuen Songs mit zahlreichen Klassikern aus Hoffmanns Schaffen. Verbindet den Blick zurück mit dem nach vorn. Der gebürtige Charlotten-burger mit Wohnsitz in Kladow ist aber mitnichten nostalgietrunken. Wenngleich er seine kleinen, biogra-fischen Geschichten mit einem Tropfen Wehmut anreichert, verleiht er ihnen stets eine gewisse Situationskomik, die der Schauspieler Klaus Hoffmann durchaus darzustellen weiß. Eine perfekte Balance also. Die ganz großen Gefühle bleiben aber der Musik und den Liedern vorbehalten. Wie gewohnt am Flügel begleitet vom Berliner Tastenkünstler Hawo Bleich, der die jeweilige Dramaturgie und Stimmung der Songs kongenial einfängt. Mal jazzig, mal zart, mal hochdramatisch. Klaus Hoffmann selbst greift immer wieder zur Akustik-gitarre, überzeugt mit filigranem Fingerpicking. Und natürlich als Sänger mit unverwechselbarem Timbre, aber äußerst wandelbarem stimmlichen Gestus.
Gerade noch schwelgt er in den schwermütigen Klängen von "Wie sich die Flügel dreh'n im Wind", einem seiner Lieblingssongs. Dann wiederum singt er Chansons von Jacques Brel. "Marieke", "Amsterdam" und "Bitte geh' nicht fort". Mit dieser expressiven, raumgreifenden Theatralik, die Hoffmann zu einem der vorzüglichsten Brel-Interpreten der Gegenwart macht.
Je weiter der Abend fortschreitet, desto mehr weichen die humorigen Conferencen einer lebensweisen Melancholie. Changierend zwischen existenzieller Hoffnung, berühren Lieder wie "Ich weiß nicht, ob's vorbei ist" zutiefst. Klaus Hoffmann, so scheint es, ist mit 70 Jahren bei sich angekommen. Und er ist mit dem Alter immer besser geworden.
Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24, Wilmersdorf, 22. + 29.8., um 19 Uhr, 26. bis 28.8. jeweils um 20 Uhr.
MusikWoche 26.03.2021
Klaus Hoffmann: "Ich kam mir durch die Singerei ­immer näher"
Klaus Hoffmann zählt seit Jahrzehnten zu den profiliertesten deutschen Liedermachern und Chansonniers, machte zudem als Schauspieler und Buchautor von sich reden. Anlässlich seines 70. Geburtstags am 26. März befragte MusikWoche den Berliner Songpoeten unter anderem zu Karriere, Konzerten und Corona.
von Frank Medwedeff
Vielseitig und feinsinnig als Sänger, Songtexter, Komponist, Schauspieler und Schriftsteller: Klaus Hoffmann
MusikWoche: Wie begehen Sie ihren 70. Geburtstag? Hatten Sie ein größeres Fest dazu geplant wie den Konzertabend zu Ihrem Sechzigsten im Friedrichstadtpalast mit Gästen wie Reinhard Mey, Hannes Wader, Romy Haag, Lydie Auvray oder Herman van Veen?

Klaus Hoffmann: Ein größeres Fest war nicht in Planung. Das Fest des Lebens ist für mich im Moment eine Art Wiedergeburt. Sieht man auf die Zeit, Corona und die Auswirkungen. Aber als dann die Maßnahmen kamen und gingen, wurde mir schon flau. Der Siebzigste ist eben doch ein Grenzstein. Danach wird, glaube ich, alles noch wesentlicher für mich sein: die Freunde, das Haus, die Liebe, das Vergehen...

Musikwoche: Wie verlief die musikalische Prägung in Ihrer Jugend? Was hat sie in den Sechzigern inspiriert, selbst Lieder zu schreiben und damit auf die Bühne zu gehen?

Klaus Hoffmann: Musik. Erst Schlager meiner Mutter. Gut gemachter Unsinn. "Tanze mit mir in den Morgen". Sehnsuchtslieder. Dann der Blitz, der mich durchfuhr, als ich zum ersten Mal "A Hard Day's Night" von den ­Beatles hörte. Ich verstand den Text nur bruchstückhaft. Wir kauten unser eigenes Englisch. Es war aber egal, die Lieder waren eine unerhörte Nahrung für die Seele. Dann kam Dylan mit "Maggie's Farm", ich dachte es ginge da um eine Landkommune, so als Protest zur fleischfressenden Gesellschaft; dann kam Van Morrison, erst dann Brel.

MusikWoche: Jacques Brel hat Sie offenkundig besonders inspiriert und beeinflusst. So haben Sie das erfolgreiche Musical "Brel - Die letzte Vorstellung" kreiert und Brels Lieder auf zahllosen Konzerten und Plattenaufnahmen auf Deutsch neu interpretiert. Was macht die Faszination seiner Kunst aus?

Klaus Hoffmann: Brel war ein Lockvogel. Ich hörte ihn das erste Mal in einem kleinen Club, in meiner Lehrzeit. Ich konnte kein Französisch. Man wählt sich ja über die Stimme die oder den man ein Leben lang meint. Es war gut zu hören für mich, dass es etwas außerhalb der Norm der Liedermacher in jener Zeit gab. Obwohl Reinhard Mey und auch Hannes Wader und sicher auch Biermann alle von den "Muschelbrüdern", also den Chansons François Villons, kamen. Sie waren frankophil. Musste sein, selbst Degenhardt stand Brassens näher als Marcuse.

MusikWoche: Gibt es Lieder, Alben oder Konzerte, die sie Meilensteine Ihrer Karriere nennen würden, oder die Ihnen ganz besonders am Herzen liegen?

Klaus Hoffmann: Sicher waren die ersten Clubauftritte vor 20 mehr oder weniger betrunkenen Leuten, im Berlin der 68iger, für mich die ersten Meilensteine, die ich überschreiten musste. Das ist nicht ironisch gemeint. Scheu wie ich war, lernte ich 17-jährig mit einem Publikum umzugehen, eine Stimme zu finden. Meine ersten Lieder waren es, schau' ich heute zurück, die die Leute eher für sich pickten als ich. Es waren die eigentlichen Hits in meinem Werk. "Blinde Katharina","Sarah", "Der Feuervogel". Ich begriff erst viel später, als ich mit namhaften Produzenten und Arrangeuren wie François Rauber, dem Arrangeur von Jacques Brel, und David Richards, dem Toningenieur von Queen und David Bowie, arbeiten durfte, was so ein Lied jugendlich naiv gegossen machen kann. Drei Akkorde und ein Text, der aus dem "so sein" kam: unschlagbar und echt.

MusikWoche: Welche Live-Auftritte oder Songs anderer Künstler haben für Sie einen besonderen Stellenwert?

Klaus Hoffmann: Spontan würde ich sagen: Sting im CCH Berlin, vorher mit Police in der Berliner Deutschlandhalle. Die Knef in der Philharmonie Berlin, da ging es schon bergab mit ihr, gesundheitlich und finanziell. Aber sie war die Größte, mit bissigem Elan, gefühlvoll und klug. Ich habe sie geliebt. Dann natürlich "Suzanne" von Cohen. Das erste gezupfte kleine große Lied. Wir suchten einen Proberaum, kopierten Them, die Jungs verschwanden in einem Keller, ich saß im Auto. Und musste heulen, als ich Cohen hörte. Ich sah ihn dann, als er sein letztes Konzert in der Mercedes-Benz Arena gab. Das beste Konzert nach Peter Gabriel und Elton John und McCartney. Aber ich musste meinen Weg finden. Basta.

MusikWoche: Inwiefern haben sich Ihre künstlerische Ausrichtung und der Prozess des Liederschreibens über die Jahre verändert?

Klaus Hoffmann: Ich bin formal etwas besser geworden, leider eine Zeitlang auch perfekter im Sound, den ich immer suchte. Im Moment kehre ich zurück. Die ersten Lieder waren die besten. Ungehobelt, bisschen sentimental, und ich hatte kaum Stimme. Dann kam Montreux bei David Richards: Ich wollte unbedingt in die Mountain Studios - nahe zu David Bowie, der von Richards gemischt wurde, und an dessen Performance ich glaubte. Der meine letzte große Rolle dann spielte, "Schöner Gigolo" - ich musste passen, das Thalia Theater ließ mich nicht drehen. Das ist eine andere Geschichte. Aber wie Bowie - Brel, Sinatra, Knef, alle großen Sänger ohne viel Stimme waren beste Schauspieler. Das zusammenzubringen, tat manchmal weh. Aber ich war ja neben Grönemeyer einer der ersten, die beides taten.

MusikWoche: Was waren Ihre Beweggründe, Ende der Neunziger mit stille-music Ihr eigenes Label mit Verlag zu gründen? Was bedeutet es für Sie, damit seither auf eigenen Füßen zu stehen?

Klaus Hoffmann: Ich musste nach zehn Jahren bei der Virgin weg. Bis auf Udo Lange wollten mich nur die Promo-Frauen, es war für mich die beste Zeit nach der RCA Hamburg. Da hatte es für mich mit Georg Baum und Michael Anders begonnen. Verkäufe in sehr hohen Zahlen. Da war der kleine Klaus noch am Anfang und sehr verwöhnt vom Markt. Nach der Virgin wollte mich keine Major-Firma, und meine Ex-Bosse schlugen mir vor, den Anfang der eigenen Labelgründung zu machen. Es gab Die Ärzte und Toten Hosen, die, glaube ich, schon ihre eigenen Firmen gegründet hatten. Jedenfalls riet mir der wunderbare Achim Reichel: "Mach deinen eigenen Club auf". So ging es los. Kleines Büro, mit Indigo als Vertrieb bei Jörn Heinecker und ein langfristiger Vertriebsvertrag und zack, wir waren wieder in den Charts. Natürlich nur durch Karsten Jahnkes Tourbetrieb und die vielen Konzerte, Hauke Tedsen, meine Band, so viele Freunde, so viele Menschen, die an dem Sänger Hoffmann teilnahmen. Mich förderten. Es ging immer rauf und runter.

Es ist eine Knochenarbeit: Der Sänger, der Schauspieler, der Autor, das alles zusammenzubringen. Und noch Erfolg zu haben. Du brauchst Erfolg, nicht immer, aber er ist wichtig. Sagen alle, die ein Lied bei sich tragen, um es hinaus zu singen, in die schöne, böse, dumme Welt. Ich kam mir durch die Singerei immer näher.

MusikWoche: Normalerweise wären Sie auch in diesem Jahr auf Tour - sei es mit den Songs des jüngsten Albums "Septemberherz" oder mit Brel-Chansons. Wie sehr fehlen Ihnen die Konzerte?

Klaus Hoffmann: Ungemein fehlt mir mein Publikum. Sehe ich daran, dass ich in fast jedem Interview laut zu singen anfange. Die Leute, die mich seit über 40 Jahren tragen, mein Publikum, die kleinen und großen Ansammlungen, das kollektive Mitsingen, das fehlt. Die Gesichter. Die Hallen, die heiligen und abgeranzten. Die Leute, die mich bezahlen, ernähren ... Ich sag' mir, wenn die Kunst fehlt, ob als Lied oder als Ballett, werden wir blöde. So ist das. Musik ist eben Lebensmittel.

Musikwoche: Wie kommen Sie und Ihre Firma stille-music ansonsten durch die Pandemie? Hat der Lockdown für Sie auch positive Aspekte - vielleicht mehr Zeit zum Liederschreiben oder für einen neuen Roman?

Klaus Hoffmann: Ja, sicher auch, ich schreibe jeden Tag. Aber die neue Platte, mal sehen ... meistens habe ich nach der letzten schon einen Arbeitstitel, der fehlt im Moment. Es war zu viel Zeit zum Geld zählen, vor allem Geld, das fehlt. Aber meinen Freunden, die nicht so etabliert sind, geht's heftiger. Dazu den Technikern, den Ings, den Maskenbildnern, den Gauklern, den Bühnenarbeitern, der Kunst ... Alles wird nach Corona anders sein. Aber bis heute bemerke ich mehr und mehr wieder die Demut, die mir früher vor Augen war. An sich ein guter Extrakt aus dem, was im Moment ist.

MusikWoche: Wie sehen Ihre Pläne und Wünsche für die nächsten Jahre aus?

Klaus Hoffmann: Singen, spielen, schreiben, leben, lieben, leben ...
Tagesspiegel 26.03.2021:
Klaus Hoffmann wird 70 Jahre
Berliner Liedermacher plant Tournee
Musik zwischen Brel, Juhnke und Knef machte ihn bekannt. Doch Klaus Hoffmann ist längst auch ein Romancier. Seine Geburtstagstournee muss er aber nachholen.
Elisabeth Binder
Charlottenburger Gewächs. Erst als Schauspieler bekannt, trat Hoffmann später vor allem als Musiker auf.

Seit mehr als 40 Jahren steht er auf der Bühne, hat über 400 Lieder geschrieben und an die 50 Alben damit gefüllt: Klaus Hoffmann kann an seinem 70. Geburtstag am 26. März eine eindrucksvolle Zwischenbilanz ziehen.

Aufgewachsen in Charlottenburg sah es zunächst so aus, als wolle er seinen Lebensweg dem Schauspiel widmen. Er absolvierte eine Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar und spielte 1976 die Titelrolle in der Verfilmung von Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“, für die er mehrere Auszeichnungen erhielt. Auch in der Freien Volksbühne und im Thalia Theater in Hamburg spielte er, doch Film und Theater waren nicht alles für ihn.

Zur Musik hatte es ihn bereits Ende der 60er Jahre gezogen, als er sich mit seinen ersten eigenen Liedern in Berliner Clubs präsentierte, im Go-in zum Beispiel. Sein erstes Album brachte er 1975 heraus.

Hoffmanns Bandbreite liegt zwischen amerikanischen Songs und Interpretationen des belgischen Chansonniers Jacques Brel, aber auch zwischen Harald Juhnke und Hildegard Knef. Die Heimatstadt Berlin hat er immer wieder gern besungen, etwa mit „Was fang’ ich an in dieser Stadt?“ und dem „Kreuzberger Walzer“.

Beim Singen allein ist es dann auch nicht geblieben. Längst ist Klaus Hoffmann auch als Autor von Romanen bekannt. „Afghana“ handelt von der Reise des Autors durch ein anderes Afghanistan Ende der 60er Jahre. Es folgten „Der Mann, der fliegen wollte“ und „Phillip und die Frauen“. Seine Autobiografie, die bereits im Jahr 2012 erschien, trägt den bezeichnenden Titel „Als wenn es gar nichts wär“.

Der Künstler setzte sich auch für andere ein, spendete etwa an Projekte zugunsten afghanischer Kinder. Für sein ganzes Wirken verlieh ihm Berlins Regierender Michael Müller 2019 den Landesorden.

Den 60. Geburtstag feierte Klaus Hoffmann mit einer Gala im Friedrichstadtpalast mit vielen Weggefährten, darunter Reinhard Mey, Hermann van Veen und Hannes Wader. Zum 70. hatte er eine Geburtstagstournee geplant, die wegen der Pandemie verschoben wurde. Sie soll nun im nächsten Jahr stattfinden.
rollingstone online:
Zum 70. Geburtstag von Klaus Hoffmann: Es muss aus Liebe sein
Berliner Morgenpost 26.03.2021:
„Man sollte bis zum Schluss arbeiten“
Der Berliner Chansonnier Klaus Hoffmann wird 70 Jahre alt.
Und spricht über Identität, die Bühne und das Alter
Ulrike Borowczyk
Klaus Hoffmann gehört zu den bedeutendsten Liedermachern und Chansonniers des Landes. Geboren 1951 in Berlin und aufgewachsen in Charlottenburg, begann er seine Karriere allerdings als
Schauspieler. In den Siebzigern arbeitete er mit allen großen Regisseuren wie Peter Zadek und Boy Gobert und mit internation-alen Filmgrößen wie Ingmar Bergman.
1975 legte er sein selbstbetite-ltes Debütalbum vor, dem über drei Dutzend weitere gefolgt sind. Zuletzt „Septemberherbst“
im Herbst 2020. Untrennbar
verbunden ist sein Name mit Jacques Brel, seinem Bruder im Geiste. Heute gilt Hoffmann als einer der wichtigsten Brel-
Interpreten unserer Zeit. Bodenständig geblieben, lebt der Musiker heute mit seiner Frau Malene in Kladow. Am heutigen
Freitag feiert er seinen 70. Geburtstag.
Wir haben ihn gesprochen.

Berliner Morgenpost: Herr Hoffmann, man hört ja immer wieder, Siebzig sei das neue Sechzig. Stimmt das?
Klaus Hoffmann: Nein. Überhaupt
nicht. Durch frühe Verluste hatte ich die Endlichkeitsge-danken schon immer stark im Kopf. Bis Fünfzig ging das noch.
Siebzig finde ich jetzt ziemlich weit vorangeschritten.
Zumal ich ein Mensch bin, der sich noch von diesem Kinderge-danken ernährt. Meine Mutter, die 92 wurde, hat immer gesagt: „Ach, werde doch vernünftig.“ Sie hat mir auch den Spruch mitgegeben: „Der Junge erzieht
sich selbst.“ Ich weiß gar nicht, was ich mit diesen widersprüchlichen Sätzen anfan-gen soll. Vernünftig bin ich immer noch nicht.

Haben Sie angesichts des Endlichseins so
etwas wie eine Alterspanik?

Für mich wäre es das Schwerste, diese Erde zu verlassen. Meine Panik ist die Angst, die Men-schen loszulassen, die mir
wichtig sind. Musik hilft mir sehr dabei, im Tag zu sein. Das zu ertragen. Zum Glück bin ich noch nicht hinfällig. Ich
mache jeden Tag zwei Stunden was dafür.
Sting sagt, er muss ausschreiten. Ich laufe einfach um den Glienicker See oder
um den Grunewaldsee. Und wenn ich mir als Kind begegnen will, durch den Schlossgarten.

Was wünschen Sie sich zum Geburtstag?

Da sehe ich mich mit Malene als älteren, graumelierten Herrn sehr sportlich in Venedig rumturnen. Als Ulrich Tukur
von seiner Italienzeit erzählte, konnte ich das gut nach-empfinden. Essen, trinken,
Musik und Kunst genießen. Das hat eine Sinnlichkeit, die mir in meinen Jugendjahren ver-schlossen blieb. Vielleicht,
weil der Vater früh starb. Das im Alter ohne evangelisches „Du musst“ noch mal frei zu erleben, wäre eine tolle Sache.

Das muss wohl warten.

Ja. Nachdem das Konzert zum Geburtstag in der Philharmonie und die große Tour auf das nächste Jahr verschoben wurden, stehen im Herbst kleinere Auftritte von „Brel“ auf dem Programm. Und natürlich „Septemberherz“ im August
in der Bar jeder Vernunft. Ich gehe jetzt daran, wieder zu proben. Und merke plötzlich, wie zart die Lieder sind. Ich
hatte den Sound viel ruppiger in Erinnerung.

Ihr Album „Septemberherz“ ist eine autobiografische
Retrospektive. War das auch so
geplant?

Es war in mir drin geplant und ich bin dem gefolgt. Du denkst ja immer, das ist das letzte Album, wenn du schreibst. Auch aus Erschöpfung. Ich arbeite dabei auf drei Ebenen als Schau-spieler, Sänger und Autor. Und habe zurückgeschaut auf meine 70 Jahre. Ich habe mich gefragt,
habe ich alles richtig gemacht? Woher komme ich, wo gehe ich hin und wie geht es dann weiter? Ich war ja hierzulande mehr oder weniger der Erste, der aus seiner Biografie heraus erzählt hat. Das ist der Vorteil als klassischer Chansonnier.

Was bedeutet eigentlich für Sie als Künstler ein Jahr Pandemie?

Die Auseinandersetzung mit dem Publikum fehlt. Außerdem ist da noch das riesige Kapitel „Geld zählen, das du nicht hast“. Dabei geht es um Existenz, Firma, Verantwortung für andere und mich selbst. Wir sind noch privilegiert, weil wir Hilfen bekommen haben. Aber für
Musiker, die von der Hand in den Mund leben, ist das der absolute Killer. Sehr viele um mich herum haben aufgehört.

Gab es für Sie auch positive Momente im letzten Jahr?

Wäre es nicht so traumatisch existenziell, müsste ich dankbar sein, weil alles runtergefahren ist. Ich bin zu mir gekommen.
Konnte Dinge aufarbeiten,
Bücher lesen. Gerade habe ich eine Leonard- Cohen-Phase. Und ich werde an meine Anfänge ge-lockt: Schauspielerei, Filme, Inhalt. Dafür ist die Zeit natürlich gut.

Sie waren ein erfolgreicher Schauspieler, bevor Sie als Musiker richtig bekannt wurden.
Haben Sie die Entscheidung für die Musik jemals bereut?

Ich würde gern wieder drehen. Aber die Bühnenarbeit war immer da. Ich erzähle sehr viel auf der Bühne, wobei der Schau-spieler den Sänger und Musiker trägt.
Das habe ich schon früh gemacht. Damit musste ich mich erst ein paar Jahre durchsetzen, weil das in den Siebzigern noch nicht so schick war. In Frankreich
gehörten der Sänger und der Schauspieler schon immer zusammen. Egal, ob bei
Charles Aznavour oder Jacques Brel.

Beide sind Ihre Vorbilder. Warum?

Bei ihnen fand ich nicht nur eine Vater-Ablösung, sondern Identität. Ein Selbstsein
im Lied. Ich kenne kein besseres
Wort dafür. Das fehlt mir oft in Deutschland. Musiker, die ihre Suche nach sich selbst zeigen.

Die Chansons von Jacques Brel ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihr Schaffen. Ihm haben Sie in den Neunzigern ein Musical gewidmet, im letzten Jahr ein Bühnenprogramm.
Wie sind Sie zu Brel gekommen?

Durch Zufall. Gegenüber vom Kempinski gab es ein Lokal, in dem dauernd Brel lief. Mein Französisch war nichts. Doch
diese Stimme von einem, der vorgab, ein Mann sein zu wollen und darunter so ein Junge war, fand ich unglaublich. Ich
wusste nicht, wer das ist. Habe aber entdeckt, dass man Lieder, die man nicht versteht, durchaus verstehen kann.

Wichtig in Ihren Liedern ist auch die Verbindung zu Berlin. Gab es keinen anderen Ort auf Ihren vielen Reisen, der Sie gereizt hat?

Paris und London fand ich immer toll. Letzten Endes hat es nicht sein sollen. Aber man muss ja auch mit ungestillten Träumen leben können. So eine Sehnsucht,
die nicht erfüllt wird, ist doch
herrlich.

Machen Sie jetzt mit Siebzig noch Pläne über das nächste Jahr hinaus?

Natürlich. Es gab sogar schon einen Arbeitstitel für das nächste Album. Der war aber total schrottig: „Hier“ oder
„Jetzt“. Klingt bestimmt auf Französisch besser. Ich denke, man sollte bis zum Schluss arbeiten, wenn man das gut findet.
Léo Ferré hat mit Mitte 60 noch
Konzerte von drei Stunden gegeben. Das muss man können. Schon rein physisch.
Brel meinte, man muss robust sein. Der fragile Typ fliegt aus dem Fenster. Mick Jagger ist da ein Wunder. Außerdem bin ich nach wie vor fasziniert vom
Theater, dem gesprochenen Wort, von Film und Musik. Das ist schon ganzschön viel. Genug, um damit Neunzig zu werden.
grand gtrs & basses, Ausgabe 1.2021:
Nichts geht über a-Moll!
Klaus Hoffmann
Es gibt diesen Video-Clip, in dem sich Klaus Hoffmanns liebster Flüsterer Jacques Brel in einer 60s-TV-Show-Revue auf der Akustischen in Ekstase spielt und singt. Dann aber, beim Bühnenabgang, fällt er so unglücklich, dass seine Gitarre in zwei Teile bricht. Welches Sinnbild: der Zerrissene mit einer Zerrissenen! Dem Berliner Chansonnier Hoffmann, der jüngst sein neues Album "Septemberherz" veröffentlichte, sind derlei Zwischenfälle zwar fremd. Seine Hingabe an die saitenbespannte Holzbox wäre aber durch sie nicht geschmälert worden.
Michael Loesl
Klaus Hoffmann über...
...Gitarrenunfälle: Die gab es nicht oft in meinem Leben. Einmal fiel ich in eine Akustische, weil ich nachts bei mir daheim aufwachte und nicht wusste, wo ich war. Meine Frau sagte mir, dass ich förmlich in ihr drinsaß. Im wahrsten Sinne des Wortes, am Arsch. Das war einer der identischsten Momente in meinem Leben, glaube ich, weil ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich heraus aus der Gitarre oder weiter drinbleiben wollte.
...seine bewussteste Gitarre: Mein Stiefvater kaufte sie mir für 220 Mark in der Nürnberger Straße hier in Berlin. Damals machte ich eine Ausbildung zum Außenhandelskaufmann und klebte begeistert am Schaufenser dieses Musikinstrumentenladens. Meine Gier nach der Gitarre war unglaublich stark. Blöderweise kaufte ich mir dann eine 12-Saitige, die zwar schön laut war und meinen damaligen Mangel an gefundener Stimme mit ihrem Klangvolumen wettmachte. Aber sie war sehr schwer zu stimmen. Ungünstig für die Folk-Clubs, in denen ich anfänglich auftrat. Irgendwann klang sie in meinen Ohren wie eine Harfe. Ich habe die 12-String schließlich gegen eine Nylon-Gitarre eingetauscht. Überhaupt habe ich später jede immer gegen eine andere getauscht. Nur meine Taylor-Stahlsaitengitarre und eine japanische, die so tut, als ob sie eine spanische sei, habe ich behalten. Heute spiele ich hauptsächlich eine Gitarre aus Madrid, mit der für mich die Musik begann. Die Musik beginnt, glaube ich, mit ganz einfachen Instrumenten. Wie lässt es sich sonst erklären, dass der berühmte Sting immer wieder zu einer kleinen Holzgitarre greift, wenn er an ein Lied geht? Jedenfalls vermute ich das. Wahrscheinlich bekommt die Fantasie dadurch viel mehr Räume, als wenn die Gitarre viel Sound macht.
...E-Gitarren: Die habe ich mal gespielt, weil ich Hendrix verehrte, der mir mit seiner Selbstverlorenheit durchaus Angst machte. Er war wohl der Ergebenste seiner Gitarre. Ich mochte den Sound von Carlos Santana ebenfalls sehr, doch an der E-Gitarre fand ich meinen Ton nicht. Brel spielte ja auch Gitarre, eine Schlaggitarre, auf der er herumwirbelte wie ein professioneller Saitenspieler, um damit Eindruck bei den Mädels zu machen. Er brauchte das, er war sehr schüchtern und Jonny Hallyday kam damals gerade heraus.
...Naivität als Gitarrist: Ich habe einmal mit Til Brönner und seinen wunderbaren Jazzern in einem Konzert gespielt, die sich erst mal von mir nicht beeindrucken ließen. Irgendwann staunten sie jedoch darüber, daß ich es schaffte, sie immer wieder aus dem Konzept zu bringen, weil ich mich der Musik ganz naiv annäherte. Ich beziehe mich auf das Naive, das Einfache, was ich mir auch bewahren möchte, denn nichts geht über a-Moll! Mit a-Moll, E-Dur und d-Moll kommt man immer zurecht, wenn man etwas musikalisch erzählen will. Sollte man ausschreiten wollen, kann man sich noch eines Gs bedienen. Früher fand ich mich nie genug als Musiker. Heute lerne ich von Musikern wie Björk, die am Strand beim Spazieren in ihr Handy summt. Es beweist, dass Musikalität nicht zwangsläufig etwas mit spieltechnischem Know-how zu tun hat.
...wenn Berlin eine Gitarre wäre: Dann wäre sie eine Strat, deren Körper so aussieht, als ob du gerade die Reifen deines Autos damit gewechselt hättest. Voller Blessuren und Narben. Ich nähere mich manchmal dieser "Lederjacke" wieder an, bin dennoch vorsichtig, weil das ganz schnell zur Pose werden kann. So ist Berlin. Berlin ist aber vor allem, und besser kann man es eigentlich gar nicht sagen, die japanische Gitarre, die auf Spanisch macht. In deren Sound schlummert ein erdiger Ton, eben ein ungehobeltes Ding.
...die Gitarre als Sinnbild für Freiheit: Ich habe die Gipsy Kings immer bewundert, weil die ohne Rock'n´Roll-Posen ihre eigene Atmosphäre bauten, indem 12 Mann denselben Akkord spielten. Die Gitarre ist ja auch eine werbende, flehende, wütende, die manchmal die Gestale eines animalischen Tänzers annimmt, der das Weibchen locken will. Sie kann sehr laut werben und sehr intensiv und leise sein. Als ich mit der Gitarre aufwuchs, war sie noch nicht frei für mich. Sie wurde immer freier, je mehr ich auf ihr spielte und sie immer bei mir trug. Sie ist mein Lockvogel geblieben. Ich nannte sie mit 16 "die Blonde", was ja einiges über mich erklärt. Ich würde gerne in einem kleinen konzertanten Saal auf einem Hocker sitzen, während die Gitarre viel mehr über mich erzählt. Es gibt Typen, die in meiner Jugend Mädels mit der Gitarre anmachten. Für mich waren es Spanier, Machos, Männer in Posen. Brel sprach immer vom Spanier, der er gerne sein wollte. Im "Knokke-Les-Zoute-Tango" besingt er seine Schüchternheit und den Wunsch, ein anderer zu sein: die Gitarre als verlängerter Arm deiner Lust und Sehnsucht, bei einer Frau deiner Wahl anzukommen.
...das "Septemberherz": Es ist kein letztes Album, vielmehr ein Zwischenstand. Das Älterwerden fiel mir sehr schwer bisher. Nicht körperlich, wobei ich das auch merkte, sondern es ist das Akzeptieren des Alters. Vielleicht steckt deswegen diesmalo mehr Soul in der Musik der Platte, mehr Erde. Wenn man so will, ist "Septemberherz" Berliner Soul.
...vom Liedermacherzirkel befleckte Gitarren: Ich habe mir das Spielen schon von Hannes Wader und Reinhard Mey abgeschaut, wobei Hannes der Picking Player war. Reinhard kam aus dem Französischen und spielte an sich klassische Gitarre. Sanft und fein. Das Instrument war zu der Zeit noch nicht so stark mit Klischees besetzt. Sonst kannte ich nur die Gitarren der Beatles und die Stahlsaitenteile der Folk-Sänger, die schwer nachzuspielen waren, weil die Stege und Saiten auf Stahlsaitengitarren schrecklich hoch waren. Aber in den Jugendheimen spielte man solche. Ich hörte Van Morrison und kaufte mir eine Taylor.
..."The Wind Cries Mary": Das war für mich eines der traurigsten Gitarrenlieder in meiner Pubertät. Alle verarbeiteten in dieser Zeit ihre verklemmten Anteile. Es waren ja die 60er und wir lebten buchstäblich in Schwarz, der inneren Opposition zum spießigen Umfeld wegen. Hendrix war der, der aus der Einsamkeit kam, er klebte förmlich an der Gitarre, er verschmolz mit ihr. Seine Posen waren die eines Sterbenden, sein Ton war die Fanfare der Trauer und der Leidenschaft. Er war ohne das Instrument gar nicht denkbar. Für mich hingegen war die Gitarre mein stiller, oft schüchterner Begleiter und die Frau an meiner Seite, die ich im Verborgenen hielt. Und wenn ich sie dann streichelte und ein erstes Lied erklang, fühlte ich mich nicht mehr allein.